Zu klein
Du warst doch noch so klein.
Zu klein.
Zu klein zum Sterben.
Gibt es im Himmel andere Gesetze?
Oder keine?
An welche Regeln hält sich Gott,
die einzusehn?
Warum?
Ich werd es nie erfahren
und auch nie verstehn.
Hilflos und ohne Worte.
Voller Angst und Wut.
Welch ein Geschick!
Und schlimmer noch:
die Einsamkeit und Leere.
Und diese Sehnsucht, dieser Schmerz -
denn du,
mein kleines Kind,
kommst nicht mehr zurück.
(Monja Kallus)
Schmerz und Klage
sind unsre erste, natürliche Antwort
auf den Verlust eines geliebtenMenschen.
Sie helfen uns
durch die erste Trauer und Not.
Sie genügen aber nicht,
um uns mit dem Toten zu verbinden.
Dies geschieht
durch Gedenken,
durch genaueste Erinnerung,
durch Wiederaufbau des geliebten Wesens in
unserem Inneren.
Vermögen wir dies,
dann geht der Tote weiter neben uns,
sein Bild ist gerettet und hilft uns,
den Schmerz fruchtbar zu machen.
(Hermann Hesse)
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Nicht alle Schmerzen sind heilbar,
denn manche schleichen sich
tiefer ins Herz hinein,
und während Tage und Jahre verstreichen,
werden sie Stein.
Du sprichst und lachst,
wie wenn nichts wäre,
sie scheinen zerronnen wie Schaum.
Doch du spürst ihre lastende Schwere
bis in den Traum.
Der Frühling kommt wieder
mit Wärme und Helle,
die Welt wird ein Blütenmeer.
Aber in meinem Herzen ist eine Stelle,
da blüht nichts mehr.
(Ricarda Huch)
Über alle Gräber wächst zuletzt
das Gras,
Alle Wunden heilt die Zeit, ein Trost ist
das,
Wohl der schlechteste, den man dir kann ertheilen;
Armes Herz, du willst nicht daß die
Wunden heilen.
Etwas hast du noch, solang es schmerzlich
brennt;
Das verschmerzte nur ist todt und abgetrennt.
(Friedrich Rückert)
Meine beiden Gesichter
Geht es dir gut,
werde ich gefragt
im Vorübergehn.
Doch, gut, sage ich
und zeige
das passende Gesicht:
mein gutgehendes Gesicht.
Mein anderes Gesicht
verberge ich liebevoll
unter meiner Kleidung.
Zuhause ziehe ich
mich aus.
Dann darf es
seine Trauer tragen.
(Renate Salzbrenner)
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