Trauer

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Man weiß, dass die akute Trauer nach einem solchen Verlust ablaufen wird, aber man wird ungetröstet bleiben, nie einen Ersatz finden. Alles, was an die Stelle rückt - und wenn es sie auch ganz ausfüllen sollte - , bleibt doch etwas anderes. Und eigentlich ist's recht so.
Das ist die einzige Art, die Liebe fortzusetzen.

(Sigmund Freud an Binswanger)

Denn die Zeit heilt nicht. Sie tröstet nicht. Sie bestätigt nur immer aufs neue, dass der Verlust unheilbar und dass Trost zumeist kein Trost ist. Nichts wird abgelegt oder überwunden oder gar vergessen. Wichtig bleibt, was der Zeit gerade entgegenläuft, das Erinnern und das immer neue Erinnern. Und gefährlich für das Leben der eigenen Seele ist alles, was Abstand nehmen heißt, Verdrängen oder Vergessen.

(Jörg Zink)

Wie knüpft man an, an ein früheres Leben, wie macht man weiter, wenn man tief im Herzen zu verstehen beginnt, dass man nicht mehr zurück kann? Manche Dinge kann auch die Zeit nicht heilen, manchen Schmerz, der zu tief sitzt und einen fest umklammert.

(aus: Herr der Ringe)

Lange stand ich vor der schmalen Holzbrücke, die sich mit ihrem sanften Bogen spiegelte. Es war eine Brücke zum Hin- und Hergehen, hinüber und herüber. Einfach so, des Gehens wegen und der Spiegelungen.

Die Trauer ist ein Gang hinüber und herüber. Hinüber dorthin, wohin der andere ging. Und zurück dorthin, wo man mit ihm war all die Jahre des gemeinsamen Lebens.

Und dieses Hin- und Hergehen ist wichtig. Denn da ist etwas abgerissen. Die Erinnerung fügt es zusammen, immer wieder. Da ist etwas verloren gegangen. Die Erinnerung sucht es auf und findet es. Da ist etwas von einem selbst weggegangen. Man braucht es. Man geht ihm nach. Man muss es wiedergewinnen, wenn man leben will.

Man muss das Land der Vergangenheit erwandern, hin und her, bis der Gang über die Brücke auf einen neuen Weg führt.

(Verfasser unbekannt)

...Dass dein Tod für alle anderen eine bedauerliche Tatsache, für mich aber ein lebendiger Prozess, immer noch Anziehung, Abstoßung, Nähe und Ferne war, wollte niemand verstehen. Allenfalls glaubte man, dass ich nachts in deinem Zimmer ein paar Tränen vergösse, aber die flossen nicht, weil da so viel mehr war als Wehmut, der leidenschaftliche und angstvolle Wunsch, dich dort, wo du bist, glücklich zu wissen...

(Marie Luise Kaschnitz)

...soll ich mich anklammern, mich und damit auch dich am Leben erhalten, oder loslassen, das Haus loslassen, um das ich meine Arme schlinge, behalt ich dich damit bei mir oder stoße ich dich fort, immer tiefer in die Zeitlosigkeit, in der ein Sichwiederfinden der Seelen so schwer vorstellbar ist.

Dass ein Gestorbener zuerst nah, dann fern und immer ferner ist, erfährt jeder Zurückgebliebene, er rätselt aber an dem Zeitmaß einer solcher Seelenflucht unaufhörlich herum. Wenn ich wann sterbe, kann ich dich noch einholen, wie lange erkennst du mich noch, willst du noch etwas von mir wissen, treffen wir uns womöglich erst im Unendlichen, wo nicht mehr die persönliche Liebe, sondern nur die Liebe an sich, als ein Teil des göttlichen Wesens, gilt. Warum hast du, da du mich doch liebtest, in all der Zeit nicht versucht mich nachzuziehen - das denke ich oft... Es erschreckt mich nur, dass ich dich unter Umständen nicht mehr einholen, nie mehr einholen kann.

(Marie Luise Kaschnitz)

Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann, und man soll das auch gar nicht versuchen, man muss es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost, denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt die Lücke aus, er füllt sie gar nicht aus, sondern er hält sie vielmehr gerade unausgefüllt und hilft uns dadurch, unsere echte Gemeinschaft miteinander - wenn auch unter Schmerzen - zu bewahren.

(Dietrich Bonhoeffer)

Ich bin überzeugt, dass es mehr Verbindungen gibt zwischen denen drüben und uns hier, als die meisten von uns heute meinen. Ich glaube, dass ein Mensch zu dem wir reden, in der Stunde nach seinem Sterben hört, was wir ihm sagen, und dass die Toten uns Zeichen geben. Wir brauchen dazu keine besonderen Fähigkeiten. Wir müssen nur wissen, dass die Wand dünn ist zwischen jener Welt und der unseren. Werden wir uns also wiedersehen? ...ich glaube, dass die Liebe, die in uns gewachsen ist, nicht verlorengeht. Ich glaube an ein Finden und Begegnen - wie immer es dann geschehen sollte - wie hier, so in der anderen Welt.


(Jörg Zink)

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